Saga live: Gigantisch. Titanisch!
Natürlich ist es schade, wenn eine gute Band aufhört. Bei SAGA ist die Sache aber verworrener - schon 2007 hätte mit dem vorläufigen Abschied von Michael Sadler alles vorbei sein können, aber der letzte Song auf dem damaligen Album 10.000 Days sagt irgendwie schon alles: "It Never Ends".
Als ich Saga auf ihrer "Final Chapter"-Tour vor zwei Jahren sah, hatte ich nicht den Eindruck, dass die Band wirklich reif fürs Altenteil war - mit einer Ausnahme. Bassist Jim Crichton sprühte nicht mehr so vor Spielfreude wie seine Kollegen, und es war damals wohl vor allem sein Wunsch, mit dem Touren aufzuhören. Da er eigentlich immer der Chef war (und zudem der Bruder von Gitarrist Ian Crichton), muss es schwierig gewesen sein, Saga ohne ihn weiterzuführen - aber genau das ist nun geschehen. Und was soll ich sagen? Da ist noch eine Menge möglich! Dusty Chesterfield macht seine Sache an Bassgitarre, Basssynthesizer und Keyboards (bei den beiden Songs, bei denen Michael Sadler den E-Bass spielt) sehr gut. Optisch muss ich mich noch an ihn gewöhnen (ähnlich wie Status Quo mit Drummer Leon Cave 2013), aber musikalisch ist er wohl der perfekte "Ersatz", auch wenn er natürlich nicht die Autorität eines Jim Crichton ausstrahlt, weshalb das Kräfteverhältnis nun wohl eher Richtung Sadler, Ian Crichton und Jim Gilmour verschoben ist. Aber Chesterfield und Drummer Mike Thorne (der bereits seit 2012 dabei ist) bilden eine richtig schlagkräftige Rhythmusgruppe, und Thorne hat noch nie so gut getrommelt wie momentan. Mir stand echt der Mund sperrangelweit offen, besonders beim Drumsolo, das tatsächlich Erinnerungen an Thornes großes Vorbild, den leider vor Kurzem verstorbenen Rush-Drummer Neil Peart, wachwerden ließ. Wie viele Arme hat der Kerl?!
Aber auch sonst stimmte praktisch alles. Die Videoleinwand zeigt Albumcover, Videos, Animationen, Fotos, sowie Close-Ups von Ian Crichton und Mike Thorne (hätte man m.E. noch öfter machen können). Nur der Sound war mir persönlich mal wieder zu laut - und besonders der Bass-Synthesizer hat tendenziell den Rest der Musik "erdrückt", während der Gesang etwas zu leise abgemischt war. Allerdings (und das ist ja keine Selbstverständlichkeit bei Saga) hat das Verhältnis zwischen Gitarre und Keyboards gestimmt. Und die Setlist! Gleich je zwei Songs von "Security of Illusion" (1993) und "Trust" (2006) sowie einer vom "Network"-Album (2004) zeigen, dass es sich nicht um eine reine Nostalgie-Veranstaltung handelt. Die Band nimmt sich sogar die Freiheit, auf "The Flyer" - immerhin einer der größten Saga-Hits - zu verzichten.
Mit "Out of the Shadows" von "Behaviour" geht es noch recht gemäßigt los, "Cat Walk" (in der normalen LP-Länge) lässt die Stimmung gleich noch deutlich ansteigen, und "Framed" sorgt dann für den ersten Höhepunkt. "Mind Over Matter" ist einer von Sagas hardrockigsten Songs, die Power kommt auch recht gut rüber, nur bei den Gesangsarrangements muss man ab und zu Abstriche machen, was aber weniger an Michael Sadler liegt, der nach wie vor fast 100% seiner Stimmgewalt hat. Mit dem schunkeligen "On the Other Side" wird die Energie ein wenig heruntergebremst, aber sofort bei "You're Not Alone" kocht die Stimmung wieder über, und das Energielevel geht jetzt gar nicht mehr herunter - das frickelige Instrumental "Conversations", ein geniales "Trust", das vor der Tour noch nie live gespielte "Days Like These" (ohne Sadler - Jim Gilmour, der den Gesang übernimmt, widmet den starken, mit dem Shuffle-Rhythmus eher Saga-untypischen Song allen, die einen geliebten Menschen verloren haben), der ewige Hit "On the Loose", das obergeniale "No Stranger" (mit Sadler am Bass, leider ohne das akustische Outro, trotzdem einer von zwei Gänsehautmomenten), ein geradezu perfektes "Careful Where You Step", das bereits erwähnte Drumsolo.... es geht wirklich Schlag auf Schlag!
Erst "Ice Nice", das in der ersten Hälfte ohne Gitarre und Drums auskommt, sorgt wieder für eine Verschnaufpause, auch wenn die Band wie gewohnt die dritte Strophe weglässt und damit wieder schnell in Fahrt kommt - hier glänzt besonders Jim Gilmours Keyboardsolo. Zu "Amnesia" wird auf der Videoleinwand das Original-Musikvideo gezeigt, was zu lustigen Szenen führt, wenn man den "jungen" und den "alten" Sadler gleichzeitig singen sieht. Und lustig wird es auch, als ein Kommentar von Jim Gilmour á la "I still had my hair" eine gespielt empörte Reaktion vom glatzköpfigen Michael Sadler hervorruft und Gilmours Präzisierung "At least I still have some hair"!
Gilmours zweiter Gesangsmoment "Scratching the Surface" ist wie immer ein Stimmungsgarant (Sadler hat beim irren Schluss erfolgreiche Publikumsanimation betrieben), und mit "Humble Stance" folgt der nächste Höhepunkt. Ian Crichtons Outro sorgt erneut für Gänsehaut: pure Gitarrenpoesie, auf einer Stufe mit Pink Floyd. Dann der Oberhammer "The Pitchman", und die Venue explodiert. Unglaublich. Man muss es erlebt haben. Der brutale High-Speed-Teil am Ende macht echt den Laden platt. Von mir aus hätte es hier schon zu Ende sein können, ich war schon am Ende vom Herumhüpfen. Aber es fehlten natürlich noch "Don't Be Late" und "Wind Him Up", dazwischen das zwar als Zugabe etwas seltsam gewählte, aber programmatische "I'm Back", und Sadler ist sichtlich bewegt ("Ich werde euch nie vergessen"). Und das Konzert hat nachdrücklich gezeigt, dass Saga eigentlich größere Venues verdient hätten.