Nuja, um das so pauschal einzuschätzen sollte man schon jede Menge Ostmusik kennen. Weiß nicht, ob du dich ausreichend durchgehört hast.
Zugegeben, ich bin kein Ostrock-Experte, aber das Meiste dessen, was ich gehört habe (nicht alles!), kam mir mehr oder weniger schlagerhaft vor. Aber ich bin eben im Westen aufgewachsen, mit internationaler Rockmusik (im Zimmer neben mir wohnte ein unverheirateter jüngerer Bruder meines Vaters, der viel Musik hörte, welche auch in meinem Zimmer gut vernehmbar war), deshalb fehlen mir die spezifisch ostdeutschen Lebenserfahrungen, auf die die Ostrocker Bezug nahmen. Und die meiste westdeutsche Rockmusik war bzw. ist auch nicht besser, da fällt auch vieles hinter die internationalen Standards zurück, siehe weiter unten.
Wenn ich hier Leuten aus der Ex-DDR zu nahe gekommen bin, dann bitte ich dafür um Entschuldigung. Das war nicht meine Absicht, denen auf den (wohl nur sprichwörtlichen) Schlips zu treten oder mich als "Besser-Wessi" aufzuspielen. Ich habe höchsten Respekt vor Leuten, die einem garstigen totalitären Regime so viel künstliche Freiheit abtrotzen konnten, wie eben möglich war. Da haben Leute, die nie unter einem solchen Regime gelebt haben, gut reden

Ich wollte doch genau das
Gegenteil aussagen, nämlich meinen
Respekt davor ausdrücken, dass die Ostrocker es schafften, den Widrigkeiten des SED-Regimes zu trotzen und dennoch "was Anständiges" zustande zu bringen. Und dass die Maßstäbe aufgrund dessen
nicht vergleichbar sind!
Auch das mit dern Zensur halte ich für ein grundlegend falsches Argument, wenn jemand wie du fast entschuldigend anführt, dass "die" ja immer in gewissen Zwängen arbeiten mussten. Miese Musik wäre auch ohne Zensur nicht besser gewesen.
Schon richtig. Miese Musik gibt es ja auch dort zur Genüge, wo es keine Zensur gibt! Insofern hatte das Einstufungssystem vielleicht auch seine gute Seite, indem es diejenigen aussonderte, die nichts vom Handwerk verstanden, und einen gewissen Qualitätsstandard garantierte. Freilich sind solche Qualitätsmaßstäbe gerade in den schönen Künsten ein zweischneidiges Schwert. Wie soll man die Qualität von Musik denn objektiv beurteilen? Da ist die Gefahr viel zu groß, dass Werke als "minderwertig" abgestempelt und verboten werden, nur weil sie den Mächtigen nicht gefallen.
Das ist ja nicht so wie etwa bei Gas- oder Elektroinstallationen, die nur von ausgebildeten Fachleuten nach genau festgelegten Normen und Vorschriften ausgeführt werden dürfen, weil da handwerkliche Fehler im wahrsten Wortsinne brandgefährlich sind. Im Gegensatz zu einer undichten Gasleitung oder einer defekten Steckdose tut schlecht gemachte Musik niemandem einen Schaden an, man muss sie ja nicht gut finden. Und vielleicht ist sie ja so schlecht, dass man daran schon wieder seinen Spaß hat ...
Mir fehlt wiederum der Überblick über westdeutsche Bands, die in puncto Stil vergleichbar wären.
Die haben Krautrock gemacht, weil sie es konnten und durften

Die hatten eben andere Sorgen und Empfindsamkeiten. Die lebten in Freiheit und Wohlstand, und mussten sich nicht mit Einstufungskommissionen, Stasi-Spitzeln und Planwirtschaft herumplagen, und konnten tun und lassen, was sie wollten. Der Markt war ein anderer, und das führte eben auch zu anderen Produkten.
Es haben ja auch keine westdeutschen Autofirmen Autos mit Duroplast-Karosserie und Zweitaktmotor gebaut (jedenfalls nicht nachdem Lloyd Geschichte und DKW zu Audi geworden war)

Der Trabant war in der DDR nicht so heiß begehrt, weil die Leute
genau so ein Auto wollten, sondern weil sie
überhaupt ein Auto haben wollten und kaum ein besseres bekommen konnten. Nachdem die Mauer gefallen war, kauften sie sich alle West-Gebrauchtwagen - schneller, als man sich umdrehen konnte. Aber vielleicht sehe ich auch das wiederum falsch, eben durch eine "westdeutsche Brille", insofern bitte ich im Voraus um Nachsicht.
Nebenbei bemerkt kann ich mit dem Deutschrock von Leuten wie Lindenberg, Grönemeyer oder Westernhagen auch nicht viel anfangen. Und das hat natürlich nichts mit Zensur oder Mangelwirtschaft zu tun

Dass die international keinen Blumentopf gewinnen konnten, lag nicht nur an den deutschsprachigen Texten. Das lag an der hausbackenen Musik und der ganzen biederen, kleinbürgerlichen Herangehensweise, die auf dem internationalen Markt einfach nur provinziell wirkte und noch wirkt. Dasselbe gilt natürlich auch für den Großteil der Neuen Deutschen Welle, oder für solche Sachen wie Silbermond oder den ganzen heutigen deutschen Betroffenheitspop. (Und natürlich gibt es auch deutsche Musik, die jedem internationalen Vergleich standhält, und andererseits auch Unmengen an schlecht gemachter Musik aus englischsprachigen und anderen Ländern.)