Von Seiten des Konsumenten:
"... versagt blieb..." ??? Wie kommst Du den darauf? In meiner Jugend waren Pink Floyd, Genesis u.a. in den Medien vollends präsent. Ich schrieb schon: Sie prägten mich, um die Gruppen herum wurde in den Medien stundenlang palavert.... Das ist leider vorbei!
Mit "gesellschaftlicher Anerkennung" meine ich was anderes als nur Medienpräsenz. Medienpräsenz hat auch Hip-Hop. Ich meine damit, dass die Musik nicht nur populär ist, sondern in der bürgerlichen Gesellschaft als
Kulturgut anerkannt ist. Und das ist Jazz heutzutage in ganz anderer Weise als Prog! Freilich krankt der Jazz mittlerweile an ähnlichen Symptomen wie die Klassik - er ist ein Genre, das von einem Fundus von Standards lebt, wo nicht viel interessantes Neues mehr dazukommt, und es herrscht in den Jazzclubs der gleiche heilige Ernst wie in den Konzertsälen, auch wenn es nach außen den Anschein hat, dass es legerer zuginge. Das ist freilich nichts, was ich dem Prog wünschen würde! Jedenfalls machen Klassik und Jazz mir bei weitem nicht so viel
Spaß wie Prog.
Viele hier schreiben ja selber, Genesis ohne Gabriel ist nicht mehr meins, die neueren PF gefallen nicht mehr usw...
Aber, das ist eben die Entwicklung der Bands, ihre Evolution, vielleicht auch dem Kommerz geschuldet.
Ja, Yes und Genesis haben sich in der 2. Hälfte der 70er Jahre vom Prog verabschiedet und sich an die Brust des Kommerzes geworfen, King Crimson und ELP hörten ganz auf, usw. - das ist doch nichts Neues. Für diesen Niedergang des klassischen Prog wird oft der Punk verantwortlich gemacht, aber das war wahrscheinlich mehr
Symptom als Ursache der Krise. Aber ich habe noch keine so richtig befriedigende Antwort auf die Frage gefunden,
warum in den späten 70ern "alles vorbei" war (es war ja nicht wirklich alles vorbei: mit neuen Bands ging es munter weiter, wenn auch abseits des Mainstreams).
Eine Vermutung von mir ist, dass die Leute, die in den frühen 70ern Prog hörten, zu etablierteren, gesellschaftlich anerkannten Musikrichtungen wie Klassik und Jazz wechselten, nachdem sie die Uni verlassen und ihre Berufskarriere begonnen hatten, von wegen, "Wenn schon anspruchsvolle Musik, dann
richtige - gesellschaftlich anerkannte - anspruchsvolle Musik". (Und jetzt, wo sie im Rentenalter sind, entdecken sie die Musik ihrer Studentenjahre wieder.) Aber das ist auch nur eine Vermutung von mir, die ich nicht belegen kann.
Aber wie gesagt, waren es
die Musiker selbst, denen das "kreative Feuer" ausging, und die Abwendung der "Generation Prog" hatte vielleicht genau darin ihre Ursache. Möglicherweise waren die Musiker zu erfolgreich, wurden selbstzufrieden und begannen sich an das süße Rockstar-Leben zu gewöhnen. Wer dermaßen saturiert ist, hat nicht mehr viel zu sagen und bringt keine große Kunst mehr zustande. Im krassen Gegensatz zu dem Niedergang der klassischen Prog-Bands steht ja, dass die Bands der folgenden Generationen, wie Marillion oder Dream Theater, es schafften, über Jahrzehnte ein hohes Niveau zu halten und sich im positiven Sinne weiter zu entwickeln - vielleicht, weil sie eben
nicht zu Superstars wurden und so der Saturationsfalle entgingen!
Vielleicht lag das auch ganz einfach an der allgemeinen Desillusionierung der Gegenkultur, die der bürgerlichen Gesellschaft nur ein paar kleinere Veränderungen abtrotzen konnte, die große kulturelle Wende hingegen nicht erreichte. Jedenfalls waren Punk und Heavy Metal die Sache einer neuen Generation, das waren nicht dieselben Leute, die in den frühen 70ern Prog gehört hatten, denke ich.
Und dann ...... heute? Unsere Jugend? Die hört und sieht Rap, HipHop oder was auch immer. Und warum? Weil sie nur diese Kanäle in den Medien finden.
So ist es. Im Kommerzfernsehen findet Prog überhaupt nicht statt, im öffentlich-rechtlichen aber auch nicht. Ich habe noch nie einen Bericht über Prog in irgendeiner Erscheinungsform in
Tracks (arte) gesehen, und auch im
Rockpalast (WDR) werden kaum Prog-Konzerte gezeigt, da haben Reggae und Stoner-Rock mehr Raum.
Das es auch anders geht sehe ich an meinen Kindern: Alle hören gerne Prog. Aber sie haben von mir auch die Möglichkeit erhalten überhaupt diese Musik kennenzulernen, durch mich.
Ich glaube, dass es sehr viele Leute, auch junge Leute, gibt, die für Prog empfänglich wären, wenn sie nur davon
wüssten. Aber es gibt selbst unter Musikinteressierten viele, die davon
noch nie etwas gehört haben - ich kenne da so einige!
AUCH? Oh konträr! Im Bereich des Prog sehe ich fast die einzige Musik zum Stress Abbau, weil sie fast die Einzige ist, die mich im innersten ergreift und mich bewegt.
Ich würde sagen: sie ergreift und bewegt mich
mehr als andere Genres. Es gibt auch anderswo Musik, die mich bewegt, so wie es auch Prog-Musik gibt, die mich eher kalt lässt. Aber ja, Prog ist in sich so vielfältig, dass er
alle Emotionen abdeckt.