@Wombat:
Die 80er Jahre hatten einen entscheidenden Vorteil gegenüber der nachfolgenden Jahrzehnte: Es gab noch gut sortierte Plattenläden mit kompetentem Personal. Was sich in den 80ern immer deutlicher abzeichnete war die Situation, dass die Plattenläden anfingen, um Kundschaft zu kämpfen, ein Phänomen, das in den 70ern noch nicht bestand und das ich persönlich ein wenig mit dem Aufkommen der CD in Zusammenhang bringe: Plötzlich waren die guten alten Vinylsachen begehrter als zuvor, im Gegenzug die CD repertoiremässig noch nicht sehr ausgebaut. Nun ging die Suche los nach Trouvaillen, von denen wir überzeugten Vinylfans damals schon mutmassten, dass es bald eine CD-Schwemme geben würde, weil sich die Musikindustrie auf dieses Format einigt. Einige Jahre später begannen die Plattenfirmen sukzessive damit, nur noch CDs und Kassetten (die später auch aufgegeben wurden) zu veröffentlichen, manche Alben kamen schon bald als Vinyl gar nicht mehr auf den Markt. Am schnellsten ging das bei den Singles vonstatten: CD Singles lösten die viel zu teuer gewordenen Vinylsingles ab. Die gestiegenen Herstellungskosten bei den Vinylsingles, resp. die fallenden Kosten bei der Produktion von CD Singles taten das Ihre, Vinylveröffentlichungen rasch zu überflügeln. Nur im Independentbereich blieb das Phänomen Vinyl noch lange bestehen - eigentlich bis heute. Denn einem mir nicht näher bekannten Kodex folgend, blieben insbesondere Punk Bands dem Vinylformat treu, CD war Bääh.
Aber nun zurück zu Deiner Frage: Es waren die Plattenläden, die sich in den 80ern merklich veränderten. Der Mainstream, Kommerz, oder wie immer man das nennen will, hielt immer stärker in den Kaufhäusern und Media Markt Format-Tempeln Einzug, und die Musikindustrie einigte sich darauf, vor allem Superstars zu supporten. Der Independentbereich, wie Du richtigerweise anmerkst, verlagerte sich immer stärker aufs Mailing oder eben auf spinnerte und spezialisierte Plattenläden. Viele Plattenläden aus meiner damaligen Zeit weigerten sich bis weit in die 00er Jahre hinein, überhaupt CDs ins Sortiment aufzunehmen. Dies führte dazu, dass immer abstrusere, immer abseitigere Sachen zu finden waren, die immer öfters auch wirkliche Trends begründeten, wie etwa der Garagenrock, die britische Neo Psychedelia, der Punk Rock, und natürlich die brettharten Rock'n'Roller, denen ihr Vinylformat immer heilig war. Als dann neue Musikströmungen hinzukamen, wie etwa Psychobilly, Cowpunk und andere Nischen-Stile, die sich schnell etablieren konnten, waren die auf typischen, hochglanzproduzierten 80er Sound ausgerichteten Grosskonzerte erstmal gar nicht an solcher Musik interessiert.
Der Todesstoss für das gute alte Vinyl kam meiner Meinung nach mit dem Erfinden des unsäglichen mp3 Format und der Verbreitung von Napster und Konsorten. Wer einmal an einem dreissig Jahre alten Plattencover gerochen hat, nach dem Aufklatschen der Abtsatnadel ein feines Knistern wahrgenommen hatte, dem war so etwas Digitales ohnehin fremd, aber natürlich blieb letztlich auch mir nichts anderes übrig, mich diesem digitalen Zeitalter anzunähern, zumal es plötzlich auch so war, dass sich immer mehr Independent Künstler und Labels mit wenig Budget CD Produktionen leisten konnten. Was vor allem in den 90er Jahren klasse war: Es gab immer mehr kleine Labels, die hervorragende Musik veröffentlichten, und die sich aufgrund teils beachtlicher Verkaufszahlen in den Vertrieb grosser Konzerte begeben konnten. Irgendwie ein Unding, aber letztlich für den Musikfan klasse, denn dadurch konnte man an Bands und Künstler herankommen, die einem sonst vielleicht verborgen geblieben wären.
Ich persönlich habe wahrscheinlich einen Weg eingeschlagen, den Einige hier vielleicht zumindest kennen: Vom Vinyl hin zur CD (teils halt wirklich zwangsläufig, weil es kein "frisches" Vinyl mehr gab), und nun wieder back to the roots. Ich bin heute froh, in all den Jahren zweigleisig gefahren zu sein, denn es gibt sie halt leider immer noch, diese grossen Löcher bei den CD-Veröffentlichungen. Feinster Stoff, der bis heute nie das Licht der CD Welt erblickt hat und das noch immer als originales gutes altes Vinyl in meinem Regal steht. Sachen wie Slack Alice, Flamenco, Sundance (die britischen), Iron Duke, Elmer City Rambling Dogs, Wild Man Fischer und viele weitere. Ich geb da die Hoffnung aber nicht auf, dass das alles doch mal noch ausgegraben wird, obwohl das Ende der CD als gängiges Musikformat absehbar ist.
Ist aber nur meine persönliche Erfahrung/Einschätzung....keineswegs objektiv